Zurück zur Übersicht

Teil 3: Fallstricke und Probleme des betrieblichen Eingliederungsmanagements (bEM)

  1. Die Zustimmung des Integrationsamts zu einer krankheitsbedingten Kündigung führt nicht zur Entbehrlichkeit des bEM
  2. Die Verweigerung der Datenschutzerklärung durch den Beschäftigten führt ebenfalls nicht zur Entbehrlichkeit des bEM

Wie bereits in Teil 1 dieser Reihe erörtert wurde, wird durch die Durchführung eines bEM die Verhältnismäßigkeitsprüfung einer krankheitsbedingten Kündigung konkretisiert. Es wird daher dringend dazu geraten, der sich aus § 167 Abs. 2 S. 2 SGB IX ergebenden Verpflichtung zum Angebot eines bEM bzw. dessen Durchführung nachzukommen, denn der Arbeitgeber trägt die Darlegungs- und Beweislast für die Verhältnismäßigkeit der Kündigung. Das bedeutet, dass er auch nachweisen muss, dass auch ein bEM nicht dazu hätte beitragen können, neuerlichen Arbeitsunfähigkeitszeiten entgegenzuwirken und das Arbeitsverhältnis zu erhalten.

Zudem darf die Kündigung des Arbeitsverhältnisses eines schwerbehinderten oder gleichgestellten Menschen durch den Arbeitgeber gemäß § 168 SGB IX der vorherigen Zustimmung des Integrationsamtes. Dies gilt auch für krankheitsbedingte Kündigungen.

Das BAG hat mit Urteil vom 14.12.2022 (2 AZR 162/22) entschieden, dass die Zustimmung des Integrationsamts zu einer solchen Kündigung nicht die Vermutung begründet, dass ein bEM die Kündigung nicht hätte verhindern können und dass die Verweigerung der Datenschutzerklärung nicht zur Entbehrlichkeit des beM führt.

Die Parteien stritten in diesem Rechtsstreit über die Wirksamkeit einer ordentlichen, personenbedingten Kündigung. Die schwerbehinderten Menschen gleichgestellte Arbeitnehmerin war in der Zeit von Dezember 2014 bis Mai 2020 ununterbrochen arbeitsunfähig erkrankt. Im Mai 2019 fand auf ihre Initiative ein Präventionsgespräch statt, an dem auch Mitarbeiter des Integrationsamts teilnahmen. Am selben Tag lud der Arbeitgeber die Beschäftigte zu einem beM ein. Die Arbeitnehmerin teilte lediglich mit, die datenschutzrechtliche Einwilligung nicht unterzeichnen zu wollen.

Der Arbeitgeber verzichtete auf die Durchführung des beM, da er das Verfahren ohne unterzeichnete Datenschutzerklärung als nicht durchführbar ansah. Das Integrationsamt wurde um Zustimmung zur personenbedingten Kündigung ersucht. Nach erteilter Zustimmung kündigte der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis ordentlich zum 31.12.2020.

Dagegen hat die Arbeitnehmerin rechtzeitig Kündigungsschutzklage erhoben. Sie hat unter anderem geltend gemacht, die Kündigung sei sozial nicht gerechtfertigt.
Die Arbeitgeberin war der Ansicht, ein erneutes bEM habe sie vor dem Kündigungsausspruch nicht durchführen müssen. Darüber hinaus stehe die fehlende Bereitschaft der Klägerin, die datenschutzrechtliche Einwilligung zu unterzeichnen, einer fehlenden Zustimmung zur Durchführung eines BEM gleich.

Das BAG führte in seiner Entscheidung aus:
Das BAG hat in seinem Urteil vom 14.12.2022 (2 AZR 162/22) entschieden, dass die auf krankheitsbedingte Fehlzeiten gestützte Kündigung unverhältnismäßig und damit sozial ungerechtfertigt sei, da die Beklagte nicht dargelegt habe, dass keine zumutbare Möglichkeit bestand, die Kündigung durch mildere Maßnahmen zu vermeiden.

Da der Arbeitgeber für die Verhältnismäßigkeit der Kündigung die Darlegungs- und Beweislast trägt, muss er auch im Fall, dass er zur Durchführung eines bEM verpflichtet ist, nachweisen, dass auch ein bEM nicht dazu hätte beitragen können, neuerlichen Arbeitsunfähigkeitszeiten entgegenzuwirken und das Arbeitsverhältnis zu erhalten.

Grundsätzlich spreche der Umstand, dass ein Arbeitnehmer nicht zur Durchführung des bEM bereit ist, dagegen, dass durch ein bEM mildere Mittel als die Kündigung hätten identifiziert werden können. Allerdings habe die Beklagte die Einleitung des bEM nicht davon abhängig machen dürfen, dass die Klägerin die von der Beklagten vorformulierte Datenschutzerklärung über die Verarbeitung ihrer personenbezogenen sowie Gesundheitsdaten unterzeichnet.

§ 167 Abs. 2 SGB IX sehe die schriftliche Zustimmung des Arbeitnehmers in die Verarbeitung seiner im Rahmen eines bEM erhobenen personenbezogenen und Gesundheitsdaten nicht als tatbestandliche Voraussetzung für die Durchführung eines bEM vor. Hiernach seien die betroffene Person oder ihr gesetzlicher Vertreter lediglich auf die Ziele des bEM sowie auf Art und Umfang der hierfür erhobenen und verwendeten Daten hinzuweisen.

Die vorherige Unterzeichnung einer Einwilligung in die Verarbeitung der Daten sieht § 167 Abs. 2 SGB IX nicht vor.
Das BAG kommt zu dem Ergebnis, dass die Klägerin das beM nicht abgelehnt habe, sondern vielmehr ausdrücklich ihre Bereitschaft zur Teilnahme an einem beM erklärt habe. Vielmehr sei die Durchführung des beM von Seiten der Beklagten von der Unterzeichnung der Datenschutzerklärung abhängig gemacht worden. Es sei der Beklagten hingegen auch ohne die verlangte Einwilligung möglich und zumutbar gewesen, zunächst mit dem beabsichtigten beM zu beginnen. Erst im weiteren Verlauf des beM-Prozesses wären dann die in Betracht kommenden Möglichkeiten zu erörtern gewesen, um die Fehlzeiten der Klägerin zu reduzieren.

In diesem Zusammenhang sei dann von den Parteien darüber zu befinden gewesen, ob und ggf. welche Angaben über den Gesundheitszustand hierfür erforderlich sind.

Nur wenn die Klägerin nicht bereit gewesen wäre, an dem weiteren Klärungsprozess mitzuwirken, hätte die Beklagte zur Verfahrensbeendigung berechtigt sein können. In einem solchen Fall sei der Abbruch des bEM „kündigungsneutral“.

Vorliegend habe die Möglichkeit bestanden, dass ein bEM dazu hätte beitragen können, Krankheitszeiten vorzubeugen und das Arbeitsverhältnis zu erhalten. Daran habe auch der Zustimmungsbescheid des Integrationsamtes nichts ändern können, da er keine Vermutung dafür begründe, dass ein beM eine Kündigung nicht hätte verhindern können.

Fazit
Damit ist zukünftig darauf zu achten, dass im Falle einer vorliegenden Zustimmung durch das Integrationsamt dennoch zuvor ein beM durchzuführen ist bzw. die Zustimmung das Fehlen des beM nicht automatisch ersetzen kann. Noch in der Vergangenheit hat der Senat mit Entscheidung vom 07.12.2006 (2 AZR 182/06) angenommen, dass nach einer Zustimmung des Integrationsamtes nur bei Vorliegen besonderer Anhaltspunkte davon ausgegangen werden könne, dass ein Präventionsverfahren die Kündigung hätte verhindern können. Für diese Rechtsauffassung finde sich schon im Wortlaut des § 167 Abs. 2 SGB IX jedoch keine Stütze.

Darüber hinaus ist beachtlich, dass der Ablehnung eines beM durch den Arbeitnehmer höhere Hürden vorangestellt werden. So muss der Arbeitgeber auch bei einer Verweigerung der Datenschutzerklärung dennoch erst einmal mit dem beM beginnen und kann sich erst im weiteren Verlauf ggf. auf ein Scheitern berufen.

Um schon Fehler bei der Einladung zu vermeiden, wenden Sie sich gerne an die AWV-Geschäftsstelle.

AWV_Arbeitsrecht

Aktuelle News.

P3-Sterne-Superior für den Fliegerdeich

Das Hotel & Restaurant präsentiert umfassende Erweiterungen und bekommt ein Upgrade auf 3-Sterne-Superior. Das Fliegerdeich Hotel und Restaurant wurde rezertifiziert und gehört damit nun zu den begehrten 3-Sterne-Superior Hotels. Diese …

Weiterlesen

Wirtschaftskrise: Vier von zehn norddeutschen M+E-Betrieben beklagen fehlende Aufträge

„39 Prozent der norddeutschen Metall- und Elektrobetriebe klagen über fehlende Aufträge, im nordwestlichen Niedersachsen sind es sogar 45 Prozent. Damit fällt die Auslastung auf das drittniedrigste Niveau seit 18 Jahren. …

Weiterlesen

Neuerharlingersiel weiterhin zertifiziertes Thalasso-Nordseeheilbad an der deutschen Nordseeküste

Rezertifizierung des Standortes und Prüfung der Partnerbetriebe erfolgreich abgeschlossen Am 10.10.2024 verkündete Christoph Sander, Prüfer des Europäischen Prüfinstituts Wellness & Spa e.V. (EPWS), im Rahmen einer feierlichen Urkundenübergabe die frohe …

Weiterlesen

JadeWeserPort wird strategisches Drehkreuz für den weltweit größten Hafen in China

Der JadeWeserPort hat einen bedeutenden neuen Partner gewonnen: Eine Tochtergesellschaft der Ningbo Zhoushan Port Group, Betreiber des weltweit größten Hafens gemessen am Gesamtumschlag, hat sich im JadeWeserPort angesiedelt. Als erster …

Weiterlesen

Inspirierende Impulse für die JadeBay-Region

Ein Rückblick auf das Innovationsforum JadeBay 2024 Das Innovationsforum JadeBay 2024 war erneut ein voller Erfolg, sorgte für inspirierende Diskussionen und konnte die Innovationskraft der Region verdeutlichen sowie spannende Anregungen …

Weiterlesen

Zwei Namen, ein gemeinsamer Betrieb: Die Personalleiterrunde zu Gast bei der Vynfranova Services GmbH

In der heutigen Unternehmenswelt kann es strategisch klug sein, Bereiche eines Unternehmens arbeitsteilig oder gemeinsam zu organisieren. Dieses Konzept nennt sich Gemeinschaftsbetrieb. Aber was bedeutet das genau? Dieser Frage ist …

Weiterlesen

Ein Hotel, drei Konzepte: Die Junge Wirtschaftsrunde Jade zu Gast im neuen Südstadthotel

Vor wenigen Wochen eröffnete das Südstadthotel seine Türen und bereicherte die Wilhelmshavener Südstadt um eine weitere Destination. Oder wie die Menschen hinter dem Südstadthotel es selber bezeichnen: „Des Kaisers liebste …

Weiterlesen

Ausbildungsgang zum KI-Beauftragten

Werden Sie zum Experten für Künstliche Intelligenz In einem umfassenden, 10-tägigen Ausbildungsgang vermittelt die HTU Management & Sales Consulting gemeinsam mit MANGOBLAU/AI alle notwendigen Kenntnisse und Fähigkeiten, um KI erfolgreich …

Weiterlesen

Kayla-Mariah Pietsch wird mit Hans-Bretschneider-Preis ausgezeichnet

Arbeitskreis SCHULEWIRTSCHAFT: Nach einer Podiumsdiskussion zum Thema „Vielfältige Wege in der Ausbildung von Fachkräften – am Beispiel der Pflegeausbildung“ wurde feierlich der Preis für Auszubildende der Region verliehen. Der Wettbewerb …

Weiterlesen

LAEPPCHÉ: Eisenhart Laeppché GmbH als zertifiziertes Customizing Center für Bosch Rexroth ausgezeichnet

Die Eisenhart Laeppché GmbH wurde erneut von Bosch Rexroth zertifiziert: diesmal als Industrially Certified Company (ICC) Level 1 Partner. Diese Auszeichnung erlaubt es dem Unternehmen, ausgewählte Produkte der Lineartechnik zu …

Weiterlesen

Zum Newsroom